Schmerzen beim Pferd erkennen

von Lahmheit und Schmerzgesicht

Inhalt:

  1. 1. Einleitung: Schmerzen beim Pferd
  2. 2. Schmerzen wirken unterschiedlich
  3. 3. Lahmheit und Schmerzgesicht - chronische Schmerzen beim Pferd erkennen
  4. 4. "Grimace Scale" zur Einschätzung der Schwere der Schmerzen: die Mimik beurteilen
  5. 5. Beispiele für den Grimace Scale

Anzeichen von Schmerzen beim Pferd

Pferden schreien nicht. Nicht vor Schmerzen. Ihnen fehlt ein eindeutiger Schmerzlaut. Das birgt die Gefahr in sich, Schmerz beim Pferd gering zu schätzen. Manchmal wird es auch einfach nicht erkannt. Grundvoraussetzung für eine rechtzeitige und möglichst gute Schmerzdiagnostik ist deshalb eine gute Kenntnis ihres Verhaltens. Besonderes das Ausdrucksverhaltens und die Mimik ist wichtig. Deshalb spricht man auch vom Schmerzgesicht beim Pferd.

Schmerzen sind subjektiv - wie auch beim Hund besteht damit das Problem, sie sachlich zu bewerten. Nicht einmal Menschen können sich auf die Intensität eines Schmerzes einigen. Was für den einen Menschen noch völlig normal ist, treibt dem anderen bereits die Tränen in die Augen.

Schmerzen sind je nach Situation unterschiedlich

Schmerzen sind unterschiedlich stark

In unterschiedlichen Umständen spürt man Schmerzen unterschiedlich. Sogar einen Knochenbruch kann ein Mensch nach einem Autounfall vergessen und auf dem gebrochenen Fuß bis zum nächsten Haus laufen. Auch beim Pferd wird das Schmerz-Empfinden angepasst. Angst und Stress eines Pferdes kann Schmerzen unterdrücken. Angst kann Schmerzen aber auch verstärken. Aber auch eine positive Motivation kann dazu führen, dass Schmerzen nicht oder nur wenig angezeigt werden. Pferde empfinden Schmerzen unterschiedlich je nach:

  • Situation: Wenn ein Pferd sich fürchtet, sind die Schmerzen oft vergessen. Das ist für ein Fluchttier vernünftig, macht es aber nicht einfacher, Schmerzen zu diagnostizieren.
  • Lern- bzw. Lebenserfahrungen (negative Erfahrungen etc.). Bereits die Berührung durch einen Tierarztes kann z.B. Meideverhalten auslösen. Es braucht keinen schmerzhaften Prozess mehr. Die Erinnerung kann bereits ausreichen.
  • Ein "starker Reiter" kann sogar geringe Lahmheiten "Wegreiten" - zumindest eine Zeitlang, vielleicht sogar für Wochen. Die langfristigen Folgen sind allerdings für das Pferd schlimmer, als wenn früher gehandelt würde.
Akute Schmerzen beim Pferd bemerken

Akute Schmerzen beim Pferd

Akute Schmerzen sind meist einfach zu erkennen. Eine veränderte Körperhaltung und Meideverhalten bieten deutliche Hinweise: Lahmheit, ungewohnte Widersetzlichkeit beim Reiten etwa, Abwehr beim Putzen oder Hufegeben.

Schwierig wird es mit chronischen Schmerzen. Denn Pferde sind Meister darin, sich so wenig anmerken zu lassen wie nur irgend möglich. So bleibt nur die Mimik - das Schmerzgesicht - und die Körperhaltung.

Chronische Schmerzen erkennen

Chronische Schmerzen bei einem Pferd festzustellen ist sehr schwierig. Aber es gibt einige Hinweise:

  • geringer Appetit, mit Abmagerung und Muskelschwund
  • glanzloses Fell, möglicherweise auch mit vielen kleinen Schuppen
  • ein veränderter Gesichtsausdruck, das Pferd wirkt 'abwesend'. Sein Blick wirkt müde. Die Augen sind klein und eingesunken. Manche Pferde zeigen als Schmerzgesicht ein „Dösgesicht“.
  • zunehmende Wesensveränderungen: manche Pferde bewegungen sich kaum noch, wenn sie nicht angetrieben werden. Auch das Liegeverhalten kann sich ändern. Manche Pferde legen sich gar nicht mehr hin. Andere stehen dafür kaum noch auf …
  • viele Pferde ziehen sich von ihren Artgenossen zurück. Sie verlieren in der Gruppe ihren Rang. Sie stehen dann oft z.B. allein vor dem Weidetor oder isolieren sich auch sonst.
  • Teilnahmslosigkeit in schlimmen Fällen: Das Pferd steht regungslos vor der Wand. Oder es bleibt länger im Dunkeln.
  • Leider gibt es auch den Fall, dass Pferde vor ihren Schmerzen wegrennen. Sie werden rastlos und unleidig, aggressiv gegen andere Pferde und auch Menschen. Berührungen werden vielleicht nicht mehr toleriert, und beim Putzen weichen sie aus, beißen oder versuchen zu treten. Bei Reiten können sie "heiß" werden.
  • Auch Muskelanspannungen/ verspannte Muskeln können ein Anzeichen für Schmerzen sein.

Das alles können Hinweise auf chronische Schmerzen eines Pferdes sein. Es ist ein uneinheitliches Bild, und vor allem Veränderungen zum sonstigen Verhalten sind wichtig. Aber auch sie sind nicht beweisend. Und schon gar nicht erlauben diese Hinweise, die Schwere der Schmerzen, unter denen ein Pferd leidet, einzuschätzen. Dabei hilft erst der neuentwickelte Horse Grimace Scale.

Der neuentwickelte „Horse Grimace Scale“ - die Einschätzung des Schmerzgesichtes beim Pferd

„Grimace Scales“ werden zur Schmerzerkennung bei Patienten verwendet, mit denen man nicht sprechen kann. Kleinkinder oder demente Patienten sind Beispiele.

Beim Pferd fehlte bisher eine objektive Methode, Schmerzen zu erkennen und zu bewerten. Der Horse Grimace Scale basiert einerseits auf für Pferde arttypischen Veränderungen der Gesichtsmimik. Die fünf Gesichtsbereiche Ohren, Augen, Kaumuskulatur, Nüstern und Maul werden unabhängig voneinander mit null bis drei Punkten beurteilt. Entwickelt wurde es an kastrierten Hengsten, bei denen nach der Kastration die veränderte Mimik (Schmerzgesicht) untersucht wurde. Zum anderen wurde für die Entwicklung des Horse Grimace Scales die Erkenntnisse genutzt, die man bei Ratten, Mäusen und Kaninchen gewonnen hatte.

Folgenden Einheiten (sogenannten „action units“) bilden die Grundlagen der Bewertung
  • Ohrstellung nach rückwärts gerichtet
  • Lidspalt verengt, das Auge ist weiter geschlossen
  • Muskelanspannung oberhalb der Augen
  • Angespannte Kaumuskulatur
  • zusammengepresste Maulspalte. Das „Kinn“ wird deutlich sichtbar.
  • Angespannte, straffe Nüstern mit Abflachung des Profils
Schmerzgesicht: Pony mit Gastritis

Der Schimmel hatte eine stressbedingte Gastritis entwickelt, als er einen neuen Boxennachbarn bekommen hatte, mit dem er sich einfach nicht verstand. Einige Schmerz-Zeichen kann man trotz des Winterpelzes recht gut sehen:

  • die nach hinten zeigenden Ohren
  • die halb geschlossenen Augen
  • die angespannte Unterlippe
  • Apathie
Beispiel: Warmblut

Schmerzgesicht bei einem Warmblut:

  • die Augen sind "eckig"
  • Kiefernmuskulatur angespannt (auch wenn das junge Pferd ansonsten durchaus neugierig war und sich über Besuch an seinem Krankenpaddock freute, war er doch "abwesender" als sonst)
ein Pferd im Freilauf springt über eine Pfütze auf dem Reitplatz
mit 24 Jahren - fit und fröhlich

Bereits jedes Umstellen in der selben Stallgasse kann für ein Pferd so viel Stress bedeuten, dass es krank werden kann. Neue Nachbarn, neue Weidepartner, schmerzende Zähne oder ein schmerzender Fuß - Pferde verbergen ihre Schmerzen. Der Grimasse Scale kann hier hilfreich sein.

Hier ist die Schmerzmimik als eine Zeichnung, damit man es sich besser vorstellen kann. Schmerzgesicht beim Pferd, neues Fenster

Zum Weiterlesen:

Marlies Wend, Schmerzen erkennen

Hilfreich ist auch dieser Link, in dem die Entwicklung des Horse Grimace Scale genauer beschrieben wird: Dr. Margit H. Zeitler-Feicht in Hundkatzepferd.de

Losgelassenheit schützt vor Schmerzen. Lockere Muskeln sind nur möglich, wenn das Pferde keine Schmerzen fühlt - und wenn es zufrieden ist. Gerade Stress und Anspannung ist leider bei Pferden häufig. Für die chinesische Medizin besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Leberbeschwerden, Unzufriedenheit und verspannter Muskulatur. So bietet sich auch die Akupunktur an, um Muskelbeschwerden und Gelenkblockaden langfristig zu lösen und so Schmerzen zu vermeiden.