Übergewicht bei Pferden

Übergewicht ist für viele Pferde ein großes Problem. Die meisten Pferde fressen gerne, gerne auch zu viel. Ihr Stoffwechsel ist immer noch auf hartes, energiearmes Futter eingestellt, das sie in langen Stunden am Tag langsam fressen. Dazu kommt bei vielen Pferden auch noch die zweite Komponente dazu: zu wenig Bewegung. Beides zusammen führt sicher zu Übergewicht.

Wie erkennt man Übergewicht beim Pferd?

Jeder Besitzer kann selbst überprüfen, ob das Pferd übergewichtig oder normal ist.

  • Die Rippen des Pferde sind ohne großen Druck zu tasten. Bei manchen Bewegungen oder wenn das Licht richtig steht, sieht man sie sogar. Dann hat das Pferd Normalgewicht.
  • Sind die Rippen deutlich zu sehen, kann das Pferd zu dünn sein.
  • Kann man die Rippen nur schwer oder nicht mehr tasten, dann ist das Pferd zu dick.

Fettpolster wird ein Pferd so schwer wieder los wie ein Mensch (oder Hund). Deshalb sollten sie gar nicht erst entstehen können. Besonders bei Robustrassen wie Fjord, Haflinger, oder bei Manchen Spezialrassen kann es extrem schwierig sein, das Wachsen der Polster zu verhindern. Aber auch Dressurpferde bekommen oft deutlich mehr Kraftfutter, als sie brauchen würden.

Hilfreich kann es sein, das Pferd regelmäßig zu wiegen (Mobile Waage). Auch ein Gewichts-Maßbandkann helfen. Ansonsten kann jeder das Gewicht des Pferdes nach CARROL & HUNTINGTON (1988) nach der folgenden Formel ausrechnen:

(Rippenumfang in cm x Körperlänge in cm) / 11.900 = Körpergewicht in kg

Rippenumfang: vom Ellenbogengelenk über den Widerrist zurück zum Anfang. Körperlänge: vom Buggelenk zum Sitzbeinhöcker. Das gibt hilfreiche Anhaltspunkte für die Entwicklung des Gewichtes.

Die Ernährung

ist ein Hauptfaktor für Übergewicht bei Pferden. Auch unsere Sehgewohnheiten haben sich verändert. Wir kennen Freizeitpferde auf der Weide, muskelbepackte Quarter Horse, Warmblüter, die gerade eine Stunde am Tag einen Reiter tragen. Allein der Unterschied im Körperbau zwischen einem Weltklasse-Dressurpferd (Valegro z.B.) und einem Weltklasse-Vielseitigkeitpferd ist extrem - und beide Pferde sollten Höchstleistungen erbringen.

Wir haben uns an den Anblick von fetten Pferden gewöhnt und halten übergewichtige Pferde für normal. Der gelegentliche Besuch einer Rennbahn, wo austrainierte Pferde Höchstleistungen bringen, kann sehr ernüchternd sein. (Und jeder Mensch weiß, dass man Muskeln durch Training bekommt, nicht durch Essen …)

Übergewicht ist nicht gesund. Die Belastung durch Gewicht potenziert sich bei jedem einzelnen Schritt, den das Pferd macht. Da hilft auch kein Bandagieren mehr, um Sehnen und Gelenke zu schützen. Es geht nicht um einige Kilos, um notfalls etwas zusetzen zu können - das ist gerade für die Senioren wichtig. Es geht um Übergewicht, das Krankheiten verursachen kann - Zivilisationskrankheiten wie EMS, Allergien, Husten, Ekzem, Hufrehe, Leber und Nierenstörungen, Arthrosen und Lahmheiten durch "zu viel Gewicht auf den Beinen" …

Problem: Leichtfuttrige Pferde

Manche Pferde, Ponys und Esel sind besonders leichtfuttrig. Sie brauchen nur einen Bruchteil des Futters, das ihre Artgenossen benötigen. Besonders unter den Haflingern findet man solche Kandidaten. Auch Tinker und Norweger fallen darunter, aber auch viele Pintos, Quarter Horse oder Spanier brauchen das Futter "nur anzusehen", um davon fettzuwerden. Auch Kaltblüter und -Mixe neigen dazu, als Reitpferd ziemlich die Figur zu verlieren, wenn man nicht aufpasst.

Bei leichtfuttrigen Pferden kann bereits eine Verfettung eintreten, wenn sie "normal" gefüttert und bewegt werden. Vorsorge ist immer einfacher als Behandlung, und Vorsorge vor den Fettpolstern beim Pferd ebenfalls. Zur reduzierten Pferdefütterung gehört bei ihnen ein konsequentes Bewegungsprogramm.

Heu und Grundfutter

Die meisten Pferde können ihre tägliche Leistung gut aus dem Grundfutter decken. 2-3 kg/100kg LM Heu, möglichst hart und stengelreich, halten sie zufrieden und liefern genug Energie für eine Stunde Gerittenwerden. Auch ein regelmässiger Ausritt von 1-3 Stunden kann damit geleistet werden. (Und wenn das Pferd im Herbst einmal eine Jagd mitgeht, muss es nicht wochenlang vorher bereits wie ein Rennpferd gefüttert werden.)

Kraftfutter

Wenn ein Pferd an Übergewicht leidet, so sollte als erster Schritt das Kraftfutter reduziert werden. Eventuell sollte es ganz aus der Ration.

Raufutter stets vor Kraftfutter

Kraftfutter liefert viel Energie pro Gramm. Es ist (meist) hochverdaulich. Heu und Stroh (Futterstroh) liefern viel Rohfaser pro Gramm und deutlich weniger Energie. Der alte Spruch: Raufutter vor Kraftfutter bezieht sich nicht nur darauf, dass es zeitlich davor kommen sollte (etwas eine halbe Stunde vorher, um Magenentzündungen zu vermeiden). Nein, das Pferd sollte Raufutter (Heu und Stroh) bekommen, um die Kondition erhalten. Erst das, was ein Pferd mit Raufutter nicht leisten kann, sollte mit energiereichen Kraftfutter ergänzt werden.

Bei den guten Futterverwertern kann bis zu einem Viertel der Ration aus Stroh bestehen. Viele Pferde fressen Stroh auch sehr gerne (meine Stute lässt jedes Heu liegen und frisst ihr Stroh stets zuerst).

Mineralien und Vitamine

Wenn ein Pferd das Raufutter nur limitiert bekommen kann, um nicht fett zu werden (s.o.), kann es eventuell mit Mineralien und Spurenelementen nicht ausreichend versorgt werden. Dann kann die Zugabe eines Vitaminierten Mineralfutters nützlich werden.

Weidegang

Frisches Gras von schönen grünen Wiesen kann für leichtfuttrige Pferde viel zu energiereich sein. Da wäre das kurze, abgeknabberte Stück besser (kann aber das Problem der giftigen Gras-Endophyten mit sich bringen).

Im Spätsommer und im Herbst nehmen die Pferde noch leichter zu. Sie bereiten sich auf einen harten Winter vor. Auch das Hormonsystem passt sich an: ACTH und Kortison-Werte haben neben tageszeitlichen auch noch Schwankungen im Jahr. Alles, um den Fellwechsel und den Winter gut überstehen zu können. (Auf den abgefressenen Standweiden im Spätsommer sind auch die Endophyten noch giftiger. Leberschäden und Hufrehe durch Ergot-Alkaloide sind auch dann möglich).

Pferde, die nur stundenweise auf die Wiese kommen, werden oft zu wahren Fress-Spezialisten. In sehr kurzer Zeit können sie sich den Bauch vollschlagen. Hier kann ein Maulkorb/Fressbremse besser helfen (Maulkörbe verursachen wieder eigene Probleme).

 

Tinkerstute auf der Weide
ein Tinker - nur mit strikter Fütterung und viel Bewegung konnte sie ihre Figur halten

Bewegung

Reduzieren der Energie im Futter ist die eine Voraussetzung zum gesunden Abnehmen. Bewegung ist die zweite. Auch beim Pferd hilft Muskelaufbau, denn Muskeln verbrauchen mehr Energie als Fettgewebe.

  • mehrstündiger, freier Auslauf (dabei sollten die Fresspausen nicht länger als vier Stunden sein, sonst drohen Magengeschwüre). Allerdings bewegen sich nur wenige Pferde auf dem Paddock. Meist stehen sie nur herum - aber in Gesellschaft.
  • Training in der Führanlage
  • Ausritte
  • Weidegang muss in die Ration mit einberechnet werden, ist aber bei leichtem Übergewicht gut machbar.
  • tägliche, auch schnelle Bewegung - schneller Trab und Galopp (sofern das Pferd das leisten kann). Intervalltraining lässt die Polster besser schmelzen als ein Schrittausflug. Die Muskeln und Sehnen sollten darauf hin trainiert werden.

Wenn die Pferde zu dick sind, wird ein strikter Futter- und Bewegungsplan nötig

  • Auslauf auf futterfreiem Gelände
  • Reduzieren von Heu auf 1,5kg / 100 kg Körpergewicht. Energiearmes Heu oder Auswaschen von Heu kann nötig werden. Dann muss auch Mineralfutter zugegeben werden.
  • keine Silage/ Heulagefütterung - zu energiereich
  • Energie verbrauchen. Dabei muss die Belastung langsam gesteigert werden, um Muskeln, Sehnen und Gelenke daran zu gewöhnen und Lahmheiten vorzubeugen.

Folgen von Übergewicht

Zahlreiche Gesundheitsprobleme und Krankheiten sind bei übergewichtigen Pferden häufiger (und ich kann mich nicht erinnern, vor 30 Jahren so viele Fälle von Hufrehe, Sehnenschäden oder gar EMS und Cushing bei Pferden gesehen zu haben. Chr. Fritz und S. Maleh sprechen von einer 1000% Zunahme der Hufrehe bei Pferden in den letzten drei Jahren).

Der Stoffwechsel wird bei überfütterten Pferden massiv belastet. Die Organe Leber und Niere werden geschädigt. Viele Krankheiten im Stoffwechsel, Allergien und Ekzeme, Mauke, aber auch das Herz-Kreislauf-System und der Bewegungsapparat sind Folgen einer langjährigen Überfütterung. Dauerhaft übergewichtige oder gar fette Pferde haben eine geringere Lebenserwartung.

Lebererkrankungen

können durch eine zu energiereiche, proteinreiche Fütterung entstehen. Besonders leichtfuttrige Freizeitpferde, die nicht arbeiten müssen (und wer hätte schon die Zeit, mit seinem Pferd täglich mehrere Stunden unterwegs zu sein?) erhalten bereits bei normaler Fütterung Eiweiß im Überschuss.  Das belastet die Leber und die Nieren - und die Atemwege durch das anfallende Ammoniak.

Bekommen sie dann noch Müsli, Mash oder Getreide neben dem Weidegang oder ihrer Heu-Ration, ist die Leber schnell überlastet. Erhöhte Leberwerte sind die Folge - also Schäden der Leberzellen und teilweise sogar ein Untergang von Leberzellen.

Selbst 24-Stunden-Weidegang auf üppig grünen Weiden ist oft zuviel. Deshalb macht eine Unterstützung der Leberfunktion zur Vorsorge durchaus Sinn!

Nierenerkrankungen

Auch die Nieren werden überlastet. Nicht selten heißt das Resultat Niereninsuffizienz, vor allem in Kombination mit weiteren Faktoren, kann die Folge sein. Pferde bekommen täglich Umweltgifte ab. Toxine im Futter, Spritzmittel in der Einstreu, Giftpflanzen im Futter oder giftiges Gras auf der Weide müssen entgiftet werden. Medikamente können dann “das Fass zum Überlaufen” bringen. Gerade Pferde und Ponys reagieren äußerst empfindlich auf Giftstoffe.

Zivilisationskrankheiten (mit Ausnahme der Hyperlipämie) haben eine sehr gute Prognose - wenn Haltung, Bewegung und Fütterung langfristig verbessert werden. Viele “aussichtslos chronisch Kranken” werden zu einem rundum gesunden Pferd oder Pony!

Die ursächliche Vorgehensweise liegt in der ganzheitlichen Untersuchung, eventuellen Laboruntersuchungen, einer individuell optimierten Pferdefütterung, in Haltung und Bewegung, in Akupunktur zur Anregung des Stoffwechsels und der Ermöglichung einer schmerzfreien Bewegung. Die Aussichten sind gut.

Zum Weiterlesen:

In Schottland wurden 45% der Pferde bei einer Untersuchung von insgesamt 319 Pferden als Übergewichtig und unter Obesitas leidend eingestuft. (hier)

Bei einer Untersuchung im Sommer in Virginia, (veröffentlich 2012, 300 Pferde unterschiedlicher Rassen) wurden 32 % der Pferde als übergewichtig eingestuft und knapp 20% als fett. Damit hatten die Hälfte der Pferde Übergewicht. Der Anteil war im Vergleich zu früheren Untersuchungen angestiegen.