Idylle oder Gefahr? Pferde auf der Weide

Endophyten im Weidegras

Artrechte Pferdehaltung bedeutet Weide, am besten für 24 Stunden täglich an sieben Tagen die Woche. Am besten das ganze Jahr über. Oder?

Ganz objektiv gesehen hat sich die Pferdehaltung in den letzten Jahrzehnten verbessert. Heu, auch mehr als 1,5 kg/100kg Lebendgewicht, die in der Pferdefütterung als Minimum beschrieben werden, ist ziemlich üblich. Weide für jedes Pferd, wenn es nur irgendwie möglich gemacht werden kann. (Als ich mit Reiten angefangen habe, war man froh, wenn es dreimal täglich Kraftfutter gab und nicht nur einmal. Von Heu keine Rede. Stehtag und reine Boxenhaltung waren üblich, sogar Ständer gab es bei uns in der Reitschule noch.)

Bessere Haltung - trotzdem mehr chronisch kranke Pferde?

Aber, wenn doch alles besser geworden ist, warum haben immer mehr Pferde Krankheiten, die früher völlig unbekannt waren? Cushing und EMS und Hufrehe sind in fast jedem Stall bekannt - und gefürchtet.

Wenn die Haltung besser geworden ist, liegt es nahe, sich die Nahrung unserer Pferde anzusehen. Und unsere heutigen Pferdeweiden haben nicht mehr viel mit den früheren Wiesen gemeinsam.

Früher waren Wiesen bunt. Verschiedenste Gräsern und Kräutern wuchsen, und alle möglichen Insekten brummten herum. Heute sind die meisten Wiesen, von denen Heu gewonnen wird, grün: grüne Hochleistungs-Grasäcker, auf denen Hochleistungs-Grassorten für Hochleistungsrinder wachsen. Seit der Jahrtausendwende wird auf besondere Widerstandskraft der Gräser gezüchtet. Leider sind das Gräser, die mit Endophyten besiedelt sind: innerlich im Gras wachsenden Pilze, die das Gras widerstandsfähiger machen. Sie helfen dem Gras, Trockenheit besser zu ertragen. Dünger wird so gespart. Von außen sind sie unsichtbar. Aber für Pferde und Weidetiere können sie üble Folgen haben.

Endophyten? Was ist das?

Endophyten bedeutet auf Deutsch: innen-wachsende.

Endophyten (in diesem Fall) sind Pilze. Mit dem Weidegras bilden sie eine Symbiose, eine Gemeinschaft. Der Pilz wächst in der gesamten Pflanze. Der Stängel, die Blättern und die Blüten, alles ist mit dem Pilz innerlich bewachsen. Nur die Wurzel bleibt frei.

Der Pilz erhält von der Pflanze Zucker, von dem er sich ernährt. Die Graspflanze wird widerstandsfähiger gegen Belastungen - eine Symbiose, die beiden Seiten nützt. Wird die Pflanze gestresst, bringt sie den Pilz dazu, mehr Giftstoffe zu bilden. Stress für die Pflanze ist Trockenheit, Kälte oder Fraß durch Insekten oder Weidetiere. Diese Toxine stecken besonders in Blüte, Samen und im Stängel. Die Wurzel bleibt frei. Sie wird aber auch kaum vom Pferde gefressen.

Pilze als Gras-Endophyten

Gräser werden vor allem von endophytischen Pilzen "bewohnt". In verschiedenen Gras-Arten leben verschiedene Endophyten. Je nach Grasart bilden sie unterschiedliche Gifte. In ungünstigen Situationen können sie hohe Giftmengen bilden. Sie können schwere Krankheiten auslösen - die Weidelgras-Taumelkrankheit (Rhyegrass stagger) und das Schwingel-Ödem (Fescue toxicosis).

Warum wird bewusst Grassaat eingesät, die von Endophyten besiedelt ist

Endophyten machen Pflanzen widerstandsfähiger. So liefern die Wiesen höhere Erträge. In den USA und Neuseeland wird fast ausschließlich mit Endophyten infiziertes Gras-Saatgut verkauft, trotz der Schäden für die Weidetiere. Die Weidetaumelkrankheit ist bei Schafen in Neuseeland häufig. Sie wird in Kauf genommen, weil es sich für einen Wirtschaftsbetrieb rechnet. In den USA und NZ gibt es inzwischen auch Tests, mit denen man den Giftgehalt im eigenen Heu und Gras bestimmen lassen kann.

In Deutschland geht man davon aus, das das Gras nicht so unter Stress gerät, weil es mehr regnet. Allerdings gibt es auch in Deutschland Jahre mit großer, langdauernder Trockenheit. Und Pferdeweiden sehen oft furchtbar gestresst aus - überweidet, zertrampelt, abgefressen.

Hochleistungsrinder und Schafe reagieren bei weitem nicht so empfindlich auf Endophyten wie Pferde. Es werden sogar bereits neue Schaf-Rassen gezüchtet, die die Pilzgifte der Endophyten besser vertragen.

Warum sind Endophyten für Pferde so gefährlich?

Am besten würde unsere Pferde den ganzen Tag auf der Weide bleiben, am Gras knabbern und fressen. Aber Pferde verbeißen Gras tief und sie fressen selektiv: sie sind grob zu ihren Weiden. Keine Kuhwiese, selbst so überweidet wie sehr viele der Pferdeweiden, sieht so schlimm aus wie eine Pferdeweide in der Mitte des Sommers: eine Mischung aus abgefressenen "Golfrasen" und Geilstellen. So wird trittfestes, verbiss-festes Gras in den Mischungen für Weiden wichtig.

Abhängig von der Temperatur, Bodenfeuchtigkeit und Stress für das Wirtsgras bilden die Endophyten im schlimmsten Fall eine Giftmischung, die für Weidetiere hochtoxisch ist. Die wird von Pferden auch gefressen, wenn es nichts anderes gibt. Sie können nicht weiterwandern. Zäune halten sie auf. Fressen unsere Pferde zu große Mengen an endophytischem Gras auf, können schwere Krankheiten die Folge sein.

Welche Gräser sind betroffen?

Besonders hohe Giftbelastungen weisen Gräser im Stängel kurz über dem Boden, in den Blüten und Samen auf. Folgende Grasarten sind besonders häuft von Endophyten besiedelt:

  • Deutsches Weidelgras
  • Wiesenschwingel
  • Rotschwingel

Junge Vollblüter auf einer gutgepflegten Weide - hier gibt es genug Platz, um die Weiden rechtzeitig zu wechseln, bevor sie zu sehr gestresst werden.

 

In einer Präsentation des "Endophyte Service Laboratory“ in Corvallis – USA stellte man die drei gefährlichsten Giftpflanzen auf Grasländern des pazifischen Nordwestens der USA vor: Weidelgras, Rohrschwingel und Jakob-Kreuzkraut. Futtergräser sind auf einer Stufe mit einer anerkannten, gefürchteten Giftpflanze.

Allgemein zu Vergiftungen durch Giftpflanzen in Deutschland auch hier.

zur Dimension im Öko-Landbau auch hier: Deutschlandfunk